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Bielefelder Kinos
Astoria am Jahnplatz
Das Haus für aufwändige Großfilme ist das „Astoria“ am Jahnplatz. Die Fassade blieb erhalten, als an seiner Stelle ein Neubau errichtet wurde. Dort befindet sich der Haupteingang der Buchhandlung Thalia. Das Astoria ist der erste Kinoneubau nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem großen geschäftlichen Erfolg von „Lido“ und „Odeon“ will Fritz Rothschild ein großes, repräsentatives Lichtspielhaus in der Innenstadt errichten. Doch seine Mitbewerber von „Universum“ und „Gloria“ versuchen, den Bau zu verhindern. Rothschild hat sich bei ihnen während seiner kurzen Zeit als Bielefelder Polizeipräsident und seinem Agieren bei der Entnazifizierung unbeliebt gemacht. Gegen alle Widerstände kann Rothschild den Bau aber umsetzen. Er fragte damals den langjährigen Feuilleton-Redakteur von Freier Presse und Neuer Westfälischer, Rudi Grube, wie das Lichtspielhaus denn heißen sollte. Grube empfahl mit Blick auf den großen Sohn Bielefelds den Namen „Murnau-Theater“. Doch Rothschilds Ehefrau soll abgelehnt haben: Murnau sei doch ein Urlaubsort in Bayern. Also nennt Rothschild das Haus „Astoria“, weil es im Telefonbuch unter „A“ ganz vorne steht.
Am 30. November 1951 gibt der Vorhang erstmals die Leinwand frei. Der Bielefelder Kinderchor singt zwei Lieder. Vor dem Hauptfilm zeigt die Neue Deutsche Wochenschau Aktualitäten aus aller Welt, bevor dann nach Vorhang und volltönendem Gong der Eröffnungsfilm beginnt. Sein Titel: „Wenn eine Wienerin Walzer tanzt“, ein „beschwingt-heiterer Musikfilm“, so der Verleih, der Nazizeit, Krieg und die Entbehrungen der Nachkriegszeit verdrängen helfen soll.
Das Kino hat 1.000 Sitzplätze die verteilt sind über das Parkett vor der Leinwand nach hinten ansteigend zum Rang. Einen Balkon gibt es nicht. Die Inneneinrichtung ist prachtvoll mit teuren Tapeten, vielen Messing-Verzierungen und nach damaligem Standard bequemen Sesseln. Als besondere Attraktion bietet Rothschild Kinderbetreuung in einem besonderen Raum unter Aufsicht einer Kindergärtnerin an.
Erst vier Jahre nach Einführung des CinemaScope-Verfahrens mit breitem Bild lässt Rothschild sein „Astoria“ 1958 umrüsten. Dazu gehört eine neue Verstärkertechnik, aber auch eine Schwerhörigenanlage, die den Filmton per Induktion auf die einzelnen Hörgeräte überträgt.
Was Rothschild und sein Düsseldorfer Architekt Gerhard Rheder nicht ahnen: Sie haben das „Astoria“ auf unsicherem Grund gebaut. Es steht auf dem früheren Wallgraben. Der Saal trennt sich millimeterweise vom Haupthaus, Gänge neigen sich, Wände reißen. Zuletzt müssen Stahlstützen notdürftig für Sicherheit sorgen. Das „Astoria“ ist da bereits geschlossen. Der letzte Film läuft am 25. Februar 1986. Fritz Rothschild hat das Ende seines ersten Kinoneubaus nicht mehr erlebt. Er war bereits am 22. April 1985 im Alter von 81 Jahren gestorben.
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