top of page
Bielefelder Kinos
Movie/Woki im Leinenmeisterhaus
Ein wunderbares Beispiel für die Innenarchitektur der 1950er Jahre war das „Woki“, später umbenannt in „Movie“. Bauherrin war die Firma Strunkmann und Meister, die offenbar der Meinung war, ein Kino in unmittelbarer Bahnhofsnähe könnte ihr gute Einnahmen verschaffen. Das Interesse galt Reisenden, die viel Zeit bis zu ihrer nächsten Verbindung totzuschlagen hatten. Der Leinenhersteller verpachtete das Kino an die Bonner Firma Christian Manstein, die eine ganze Reihe von Aktualitäten-Kinos betrieb. „Woki“ ist die Abkürzung für Wochenschau-Kino.
In Bielefeld war es das erste Haus mit Nonstop-Vorführungen. Die Gäste kamen und gingen, wann immer sie wollten. Zu sehen waren alle gängigen Wochenschauen wie „Zeitlupe“, „Blick in die Welt“, „Ufa-Wochenschau“ oder „Neue Deutsche Wochenschau“. Dazu kamen Kulturfilme und natürlich auch Unterhaltungsfilme wie Dick und Doof. Abends versuchte das Unternehmen in späteren Jahren Publikum mit Sexfilmen wie „Wenn die Hüllen fallen“ anzulocken.
Das „Woki“ war Bielefelds erstes Kino mit automatischer pausenloser Vorführung, Bildstrich, Schärfe, Start und Stop waren aus dem Foyer fernsteuerbar.
Eröffnung war am 2. Dezember 1955. 400 Zuschauer hatten Platz.
Ich war mit meinem Onkel Rudi oft sonntags im „Woki“. Anfang der 60er Jahre ging es zuerst auf den Bahnhof, Dampfloks gucken, dann ins „Woki“, Wochenschauen und Laurel-und-Hardy-Filme sehen. Andere Bielefelder Jungen gingen sonntagsmorgen statt zum Gottesdienst in die Vorführung. Die von den Eltern mitgegebene Kollekte diente als Eintrittsgeld.
Zugreisenden die Wartezeiten mit Wochenschauen zu vertreiben, war Anfang der 1970er Jahre keine lukrative Geschäftsidee mehr. Das Fernsehen war viel schneller als die Nachrichtenfilme, die schon veraltet waren, wenn sie im Kino liefen.
Strunkmann und Meister hatten Fritz Rothschild das Kino schon 1955 angeboten, doch der lehnte ab. Er wollte damals statt für 400 lieber für 300 Besucher spielen und statt Sensationsfilmen lieber filmische Leckerbissen präsentieren. 1975, 20 Jahre später, ist es soweit: Rothschild übernimmt das „Woki“ , setzt sein altes Konzept um und verringert die Platzzahl von 413 auf 228. Gleichzeitig lässt er erstmals in Bielefeld feste gepolsterte Sessel einbauen. Am 16. Oktober 1975 eröffnet das „Movie“, so der neue Name, mit dem Kubrick-Film „2001 – Odyssee im Weltraum“.
Hans-Joachim Flebbe, der das „Movie“ wie die anderen ehemaligen Rothschild-Kinos 1987 übernommen hatte, schließt das Kino zum 31. Dezember 2000. Zuvor hatte es bekannte Kassenschlager als „One-Dollar-House“ für geringen Eintritt gespielt.
Die Lichtwerker um Jürgen Hillmer hatten noch versucht, das „Movie“ zu übernehmen, denn sie wollten die wirtschaftliche Basis ihres Kinos verbreitern, das damals noch im Filmhaus an der August-Bebel-Straße spielte.
Das „Movie“ macht auch heute noch seinem Namen Ehre, inzwischen als Tanzclub und Discothek.
bottom of page